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Das Zauber-Atelier..für Nesrin von Christina

Allgemeines

Das Zauber-Atelier

Ja! Ja, Ich bin ganz sicher, dass es kurz VOR 12.00 Uhr mittags war, als ich die St.Peter-Hofstatt überquerte, an der alten, bänkli-umrahmten Eiche vorbei, die Treppe runterhastete in die Cafè Weggen führt, gleich rechts am Treppenende durch die Tür spähte und…..nein…..sie war nicht da, niemand war da….aber die Tür war offen!

Vorsichtig und mit einer gewissen Scheu trat ich ein und doch etwas beunruhigt rief ich: Nesrin, hallo…..Nesrin…..bist Du da….bin ich zu spät…..darf ich noch…..

Eigentlich lächerlich in dem kleinen Atelier zu rufen. Die Überschaubarkeit ist so gegeben, wie der Glockenschlag 12 mal vom St. Peter unüberhörbar ist, wenn er in die Gassen schallt.

Sie war nicht da! Die Beunruhigung wich und fiel von mir ab, denn mit neuen Augen nahm ich den Raum wahr, in dem die Schneider-Zauberin Nesrin arbeitet, wirkt, schneidert, näht, komponiert und kombiniert, kreiert und herrscht.

Verlassen – ohne ihre Herrin-lagen die Werkzeuge und ruhten sich aus: die Scheren, die Bänder, die Borten, die Ösen, Haken und Nieten, eine Ahle, Güfelis mit farbigen Köpfen, Nähseide auf kleinen und riesegen Spuhlen, bunt aufgereiht, Stoffe und Schnittmuster träumten von Theater-Roben und Smoking-Jacken.

Ein Glanz lag im Raum, ein Glamour wie der zurückgelassene Duft einer Königin.

Nesrin, mit ihren langen Haaren, Poivre et selle meliert, offen reichen sie bis zur Teile.

An beiden Handgelenken rollen Armreifen, meistens in Silber, passend zum grauen Haar. An den Fingern funkeln seltsam geschwungene Ringe. Selbst am Daumen trägt sie Perlen.

Alles passt.

Das Kleid umhüllt den Körper wie eine Liebkosung, so als wollte der weiche Stoff mit seinem Glanz das Privileg ausdrücken, die Meisterin selbst zu umhüllen, ihr ganz hautnah zu sein.

Ihre Augen haben immerzu ein Lachen in den Winkeln, das einen anspringt, sobald man den Raum betritt.

Ihre Stimme, Sammet ist Granit im Vergleich zu ihrer schwingenden Sanftheit und Wärme.

Wo sie wohl sein konnte?

Jedoch war die Gelegenheit zu verlockend, mich etwas genauer umzuschauen in ihrem Reich, einem winzigen Raum, der überquoll von Kleidungsstücken, Blusen, Jupes, Jacken, Schals, Hosen-kurze und weite, lange und blissierte-eine Pailletten-Weste hing neben der Eingangstür. Sie glitzerte, gerade so, als wäre sie lebendig und wollte anfangen zu klingen!

Schnell schoss ich die Tür, denn bestimmt hatte ein Luftzug das Kleidungsstück ins Rauschen gebracht.

Nein, oh nein! Falsch geraten!

Auf einmal fing alles an miteinander zu säuseln, zu sausen und tosen, zu piecksen, zu siseln und wedeln, zu knacken, wieseln und fächeln…..die Maschinen – zwei an der Zahl – bewegten sich schwer und etwas plump…..jedoch im Takt mit den Nadeln, die auf dem Tisch zu tanzen begannen.

Mir wurde ganz schwindlig vor lauter Wunder-Erstaunen und fassungslosem Unglauben.

Grade, als ich mich nach einem retteden und nicht mit Stoffen beladenen Stuhl umsah, um mich von dem farbigen Treiben zu erholen, kam sie hereingeweht mit ihrem strahlenden Lächeln.

Behende - zwischen Wand und Tresen hindurch – kommt sie auf mich zu in nur 2 Schritten, so klein der Raum. Wir umarmen uns, ich stottere eine Entschuldigung, dass ich so mitten im Atelier und nicht vorne am Eingang stehe: „Ein Wunder Dein Atelier! Alles hier drin scheint lebendig zu sein…..Soll ich die Bluse mal anziehen?.....oder soll ich nach der Mittagspause nochmals kommen?“ Ihr fröhliches Lachen ist Antwort, und ich bleibe. „Eine herrliche Seidenbluse von meiner Mutter – noch! Das Material…..zu schade für den Kleidersack…..Was meinst Du…..kann man noch draus machen?“

KANN MAN NOCH WAS DRAUS MACHEN – Das ist die Frage, die das Feuer von Nesrin`s Begabung entfacht und befreit: KANN MAN NOCH WAS DRAUS MACHEN?!!

Ich stehe vor ihr, die Bluse hängt wie ein Lappen, mir viel zu gross….Sie schaut und schaut, sagt nichts und ist doch so beredt…..sie greift – ohne hinzusehen – hinter sich und nimmt ein Gefeli, zwei drei in den Mund und eines zwischen die Finger…..

Ich habe es genau gesehen, die Güfeli sprangen vom Tisch in ihre Hände. Das waren keine Stecknadeln! Viel eher waren es Hüpfnadeln!

Alles diente ihrem Talent, genau die Stelle zu finden, die den Pfiff, den Chic, den eigentlichen Sitz eines Kleidungsstückes verhindert.

Ihre Augen liessen nicht ab von der Bluse und mir, von mir und der Bluse…..Ihre Augen wurden hell, sprühten Licht. Ihre Hand näherte sich meiner Brust, und plötzlich sausten ihre Finger wie Pfeile, von einem unsichtbaren Bogen geschossen, auf mich und Bluse zu, sie nahm mit unsäglicher Zartheit an der genau richtigen Stelle den Stoff zwischen ihre beringten Finger und…..zupf…..stich…..zupf…..stich…..die Bluse wurde gehoben und formte sich wie unter Zauber zu einem Modell……….

Ihr leuchtendes Lächeln ist nur in den Augen, aber ich höre es klingen…..

Ich habe die Bluse heute noch. Sie ist immer noch meine Lieblingsbluse!
Wenn ich sie trage, zaubert sie ein Lächeln in mein Herz!

Für Nesrin von Christina



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